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Zivilcourage – Eingreifen statt wegschauen

Gegen Gewalt muss jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten eingreifen. Wer dabeisteht oder wegschaut, macht so gut wie mit.

Es gibt Situationen, in denen man sich Zivilcourage wünscht, in denen man eingreifen möchte, statt wegschauen, aber man weiß nicht wie. Wenn ein anderer in Bedrängnis gerät, ist man meist zu verunsichert, um etwas zu unternehmen. Egal, ob in der Schule jemand gemobbt, im Bus blöd angeredet oder im schlimmsten Fall tätlich angegriffen wird. Dabei reichen schon kleine Gesten, um zu helfen und andere zu motivieren, sich ebenfalls einzubringen.

Oberste Regel:

Nie sich selbst in Gefahr bringen! Deshalb sollte man sich nicht gegen den Täter wenden, sondern stattdessen das Opfer unterstützen. Ein einfaches „Ist bei Ihnen alles in Ordnung“ zeigt an, dass man die Lage erkannt hat und bereit ist, sich einzumischen. Oftmals reicht das schon aus, um einen Täter einzuschüchtern und so die Situation zu entschärfen.
Wird im Bus jemand belästigt, kann man dem Opfer anbieten: „Setzen Sie sich doch zu mir/uns, hier ist noch Platz für Sie“.
Hat man es dagegen mit mehreren, womöglich gewaltbereiten und stärkeren Tätern zu tun, muss man sich unbedingt Hilfe holen. Dazu sollte man die Passanten immer persönlich und direkt ansprechen: „Die Dame mit der weißen Jacke, bitte rufen Sie die Polizei. Der Mann mit der schwarzen Jeans, helfen Sie mir mal.“ So fällt es den Angesprochenen deutlich schwerer, einfach weiterzugehen.

Wichtig ist außerdem, genau zu beobachten und sich möglichst viele Details einzuprägen. Wie groß und wie alt war der Täter in etwa, welche Haarfarbe hatte er, wie war er gekleidet? Aus welcher Richtung kam er und wohin ist er geflüchtet? Je mehr Informationen die Polizei bekommt, desto mehr Aussicht auf Erfolg besteht für die Suche.

Erste Hilfe ist Pflicht!

Aber auch in weniger brenzligen Fällen ist Zivilcourage gefragt. Um den Fahrer eines liegengebliebenen Autos zu fragen, ob er Hilfe braucht, muss man oftmals gar nicht aus dem eigenen Wagen aussteigen.

Bei Unfällen und Verletzungen ist sogar jeder gesetzlich verpflichtet, Hilfe zu leisten! Das Mindeste, was zu tun ist: Einen Notruf absetzen und die Unfallstelle absichern. Wer gerade den Führerschein macht oder gemacht hat, hat den Erste-Hilfe-­Kurs noch im Kopf. Und natürlich ist es sinnvoll, den Schein nach ein paar Jahren aufzufrischen.

Wettbewerb verloren, die Herzen gewonnen

Zivilcourage der besonderen Art bewies Manuel Retzbach, technischer Sachbearbeiter in der Projektierung bei R. STAHL und in der Freizeit erfolgreicher Triathlet. Am 18. Juli 2018 nahm er mit seinen Mannschaftskameraden am Stutensee-Triathlon in Blankenloch teil. „Es ging an dem Tag um einen potenziellen Aufstieg der Mannschaft, obwohl man sagen muss, dass wir keine Chancen hatten.“
Nachdem er die Schwimmstrecke von 750 m hinter sich gebracht hatte, fuhr er auf der 20 Kilometer langen Radstrecke. „Ein paar hundert Meter vor mir sah ich plötzlich eine Person und ein Rad durch die Luft fliegen. In der Regel sind an der Strecke viele Leute unterwegs, die halten können. Doch wenn jeder sich auf den anderen verlässt, passiert leider gar nichts!“

Manuel Retzbach hielt an und kümmerte sich mit einem Motorradfahrer um den verletzten Konkurrenten. „Ich habe den Biker gebeten, einen Notruf abzusetzen und die Unfallstelle abzusichern. Währenddessen habe ich mich zu dem verunglückten Radfahrer gesetzt, mit ihm gesprochen und ihn beruhigt, bis der Notarzt da war.“
Dann stieg Retzbach wieder aufs Rad und beendete die Radstrecke und den Fünf-Kilometer-Lauf. Er kommt zwar als Letzter ins Ziel und seine Mannschaft landet auf dem hintersten Platz, gewinnt den Wettbewerb aber als „Sieger der Herzen“.
Warum er gehalten hat, kann Manuel Retzbach bis heute nicht genau sagen. „Ich habe intuitiv gehandelt und wusste bis zehn Meter vor der Unfallstelle nicht, was ich machen werde. Ich wusste auch nicht, dass außer einem Motorradfahrer noch niemand am Ort des Geschehens war. Ich glaube, ich habe gedacht, dass ich mich auch über Hilfe und Unterstützung freuen würde, wenn mir sowas passiert.“
An die Gefühle, die er an der Unfallstelle hatte, kann sich Retzbach nicht mehr erinnern. Die kamen erst hinterher. Als er von seinem Team für die Tat gelobt wurde und der gestürzte Sportler (wie sich herausstellte Matthias Klumpp, einer der deutschen Top-Triathleten der 1990er Jahre), dessen Sohn und die Nichte sich aufrichtig bei ihm bedankten.
Das Erlebnis wirkt bis heute in ihm nach. „Ich sehe vermehrt die ‚Alltagshelden‘ und deren gute Taten, sei es in der Feuerwehr oder den fairen Umgang der Menschen untereinander, und schätze das. Außerdem finde ich es gut, dass diese Werte trotz der heutigen ‚Ellenbogengesellschaft‘ bei den Leuten ankommen und zum Nachdenken anregen. Das animiert auch andere zu helfen.“

Am 27. März 2019 ist Manuel Retzbach in Wiesbaden mit dem Fair-Play-Preis des Deutschen Olympischen Sportbundes und des Vereins Deutscher Sportpresse ausgezeichnet worden.